Geschichte

Wie die Vespa zur Kult-Ikone wurde

Von Mia Forbes | veröffentlicht am 15. November 2021


Im Jahr 2021 feiert die Vespa – der legendäre italienische Motorroller, der wegen seines schnittigen Designs, seiner praktischen Eigenschaften und seiner prominenten Gönner Kultstatus erlangt hat –ihr 75. Jubiläum. Mia Forbes, Beraterin für Luxusobjekte und Antiquitäten, taucht in die Geschichte von Italiens wohl ikonischstem Export ein und erklärt, wie aus einem Motorroller, der eigentlich nur als eine schnelle Lösung für römische Pendler gedacht war, ein weltweites kulturelles Phänomen wurde.


Die Ursprünge der Vespa


Enrico Piaggio hat im Zweiten Weltkrieg miterlebt, wie Motorräder mit Fallschirmen über italienischen Städten abgeworfen wurden, um dann von den Bodentruppen eingesetzt zu werden. Dies war zweifellos eine der Inspirationsquellen für Enricos innovativen neuen Motorroller, den er in den familieneigenen Fabriken für Transportmittel zu bauen begann, nachdem dort nach den Bombenangriffen der Alliierten keine Eisenbahnwaggons, Flugzeuge und Wasserflugzeuge mehr gebaut werden konnten, mit denen sich die Familie während des bewaffneten Konflikts über Wasser gehalten hatte. 


Die Vespa wurde am 23. April 1946 patentiert und bot eine praktische und erschwinglichere Alternative zu Automobilen, während sie gleichzeitig mit einem stilvollen und, wie sie inzwischen bewiesen hat, zeitlosen Design aufwartete. Der Name „Vespa“ bedeutet auf Italienisch „Wespe“ – eine Anspielung auf die Form des Motorrollers mit seiner schlanken „Wespentaille“ und auch auf das Summen seines Motors. In den 1950er und 1960er Jahren lieferte die Vespa eine Lösung für den zunehmenden Großstadtverkehr und wurde vor allem von der wachsenden Mittelschicht dankbar angenommen. Zudem schätzte man sie in den 1970er Jahren immer mehr als umweltfreundlichere Alternative zum Automobil. 



So wurde die Vespa zum Kult


Die Vespa hatte aufgrund ihres ikonischen Monocoque-Designs bald Horden von Fans. „Monocoque“ bedeutet, dass die Karosserie aus gepresstem Stahl keinen separaten Rahmen hat, sie ist der eigentliche Rahmen. Darüber hinaus besteht die innere Mechanik – also der Motor und das Getriebe – aus einer einzelnen gegossenen Einheit. Das ausgesprochen effiziente Konzept der Vespa, die als einzige zusätzliche Karosserieteile den vorderen Kotflügel, die hintere Motorklappe und das Staufach hat, verleiht ihr eine schnittige und harmonische Optik. Darüber hinaus kann der Motorroller aufgrund seiner Konstruktion, die auf überflüssige Teile verzichtet, relativ einfach repariert werden und auch Designänderungen an Nachfolgemodellen sind unkompliziert möglich.



Audrey Hepburn hat dafür gesorgt, dass die Vespa nicht mehr aus der Popkultur wegzudenken ist



Der Charme der Vespa wurde immer wieder auf die Leinwand gebannt, ihren wohl bekanntesten Auftritt hatte sie jedoch im Film Ein Herz und eine Krone (1953), in dem Audrey Hepburn und Gregory Peck auf einem olivgrünen Motorroller der „Serie 0“ durch die italienische Hauptstadt sausten. Mit diesem unvergesslichen Auftritt wurde die Vespa endgültig zu einem festen Bestandteil der Popkultur und sie dient auch heute noch häufig als Schlüsselmotiv, wie zum Beispiel in dem kürzlich erschienenen Disney Pixar-Film Luca.


Die Vespa erobert die Welt


Seit die Vespa vor 75 Jahren auf den Markt gekommen ist, wurden weltweit über 19 Millionen Exemplare davon verkauft. Sie ist nicht nur zeitlos, sondern wird auch auf der ganzen Welt als ein sehr attraktives Fahrzeug empfunden und ist in 83 Ländern und auf allen Kontinenten vertreten. In den ersten Jahren der Vespa beschränkte sich der Verkauf weitgehend auf Italien, aber nach ihrem legendären Auftritt in Ein Herz und eine Krone war die ganze Welt von dem stilvollen Motorroller begeistert. In ganz Europa wurden Vespa-Clubs gegründet und die Mitgliederzahl überstieg schon bald den sechsstelligen Bereich. Diese begeisterten Vespa-Kunden hatten sich ein Stück des italienischen Traums gekauft.


Aufgrund dieser enormen Begeisterung, die überall aufkam, wollten natürlich auch andere Fahrzeughersteller in Großbritannien, Deutschland und Japan ein Stück des Motorroller-Kuchens für sich haben und versuchten, das wohlverdiente Monopol der Vespa zu knacken. Allerdings gelang es keinem von ihnen, an den Stil und die Zweckmäßigkeit des Originals heranzukommen. 


Vespa als Lifestyle


Obwohl einheimische Firmen versucht haben, Piaggio mit ihren eigenen Motorroller-Konstruktionen Konkurrenz zu machen, ist die Vespa vermutlich in keinem Land so beliebt wie in Großbritannien – abgesehen natürlich von Italien selbst. In den wilden Sechzigern entstand in Großbritannien eine eigenwillige Subkultur makellos gekleideter Jugendlicher namens „Mods“, die Jazzmusik hörten und auf Motorrollern unterwegs waren. Die Vespa wurde rasch zu einem wichtigen Element der Mods-Uniform. Da die Vespa ein erschwinglicher fahrbarer Untersatz für die jungen Leute war und gleichzeitig genauso schick aussah wie ihre maßgeschneiderten Anzüge, sah man sie zunehmend sowohl im Londoner Straßenverkehr als auch in englischen Küstenstädten. 



In Großbritannien haben die Mods die Vespa zu einem Teil ihres alternativen Lebensstils gemacht.



Die Vespa war nicht nur Transportmittel und modisches Accessoire in einem, sie wurde eine Zeit lang auch zum Rennfahrzeug. Im Jahr 1951 baute Piaggio einen Motorroller-Prototyp, der für Geschwindigkeitsrennen entwickelt wurde und es mit einer Höchstgeschwindigkeit von 171 km/h auf bemerkenswerte Weise schaffte, den Geschwindigkeitsweltrekord zu brechen! Im Jahr darauf rüstete der berühmte französische Motorradfahrer Georges Monneret seine Vespa auf ungewöhnliche Weise um. Monneret baute sie in einen Katamaran ein, so dass das Hinterrad den Propeller antrieb – er überquerte den Kanal und fuhr von Paris nach London, ohne von seinem Motorroller abzusteigen.


Unterschiedliche Modelle


Einer der großen Vorteile des schlichten Designs der Vespa ist, dass an ihr zahllose optische und technische Veränderungen möglich sind, ohne dass ihr ikonischer Look verloren geht und ohne dass sie überladen wirkt. Die klassische Vespa in ihren beliebten Pastelltönen mag vielleicht für eine idyllische italienische Postkartenaufnahme geeignet sein, aber im Laufe der Jahrzehnte ist die Nachfrage nach besonderen und aufregenderen Designs gestiegen. Zum 75. Jubiläum hat Piaggio beispielsweise ein limitiertes Vespa-Sondermodell in Zusammenarbeit mit der Firma Christian Dior, die in demselben Jahr gegründet wurde, initiiert. 



Kollaboration Vespa x Christian Dior


Neben den optischen Variationen der Vespa hat sich der Hersteller auch sehr dafür engagiert, die Motorroller mit modernster Technik auszustatten – vom der Smartphone-Anschluss bis zum Navigationssystem – und ihrer vielfältigen Kundschaft eine interessante Auswahl an Modellen anzubieten. Vor kurzem hat das Unternehmen zum Beispiel ein elektrisches Modell für all jene herausgebracht, die umweltbewusster unterwegs sein wollen.


Der Wert von Vespas


Im Gegensatz zu anderen Verkehrsmitteln wie Automobilen, die rasch an Wert verlieren, behalten Vespas einen beträchtlichen Teil ihres Wertes. Im Großen und Ganzen behalten diese ikonischen Motorroller 60 bis 90 % ihres Wertes und in manchen Fällen steigt er mit der Zeit sogar. Das liegt daran, dass sich die selteneren und älteren Modelle unter Sammlern und Liebhabern großer Beliebtheit erfreuen, insbesondere Klassiker wie die GS 150 aus dem Jahr 1955, die 90SS aus dem Jahr 1966 und die 125 Primavera aus dem Jahr 1967. 

Sich eine Oldtimer-Vespa zuzulegen und sie durch regelmäßige Wartungen und Pflege in einem guten Zustand zu erhalten ist daher eine großartige Investition für jeden Fahrzeugliebhaber. Die höchste Preis, der jemals für eine Vespa erzielt wurde, soll angeblich stolze 250.000 € betragen haben; diese Motorroller können also wirklich wertvoll sein.


Über die Autorin

Mia ist eine Beraterin für Luxus und Antiquitäten und beitragende Autorin aus London, England. Sie hat einen Bachelor-Abschluss in Klassischer Altertumswissenschaft von der University of Cambridge. Mia ist sowohl bei der Arbeit als auch zu Hause von Büchern umgeben und schreibt gerne über große Werke.


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Mehr entdecken: Oldtimer-Motorräder und -Motorroller | Poster | Vespa und Lambretta


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