Geschichte

Die individualisierbaren Mini Cooper, die jeder unbedingt haben wollte

Von Tom | 28. Mai 2020


Der Mini Cooper ist seit Jahrzehnten absoluter britischer Kult und einige besondere Modelle haben dazu beigetragen, den Mini zu einem der begehrtesten und luxuriösesten Automobile in Großbritannien zu machen. Karosseriebauer wie Harold Radford und Wood & Pickett haben sich diese gewöhnlichen kleinen Stadtflitzer vorgeknöpft und aus ihnen ultimative Luxuskarossen gemacht. Wir haben den Oldtimer-Experten Luca Gazzaretti gebeten, uns mehr darüber zu erzählen.


Autofanatiker oder nicht, es gibt wohl kaum jemanden, der noch nie etwas vom Mini Cooper gehört hat. Man sah ihn bereits als coole aufgemotzte Kiste, als Rennwagen oder auch in Filmen, die von Banküberfällen handeln. Er wurde schon oft neu erfunden, blieb dabei aber immer unverkennbar ein Mini. „Der Mini ist einfach einzigartig. Es gibt ihn bereits seit 1959 und wir haben ihn dem englisch-griechischen Ingenieur Sir Alec Issigonis zu verdanken. Der Mini ist bis heute eines der erfolgreichsten Automobile aller Zeiten und hat sogar – das wird häufig vergessen – im Jahr 1964 die Rallye Monte Carlo gewonnen!“ Damit empfiehlt er sich natürlich auch als perfekte Grundlage für jeden Karosseriebauer. Die Umbauten und Individualisierungen von Radford und später von Wood & Pickett waren wegweisende Weiterentwicklungen des Minis, sie sorgten für frischen Wind und spiegelten gleichzeitig auch die Zeit wider. 


Swinging London


Um die Bedeutung dieser Minis zu verstehen, ist es laut Luca wichtig, den kulturellen Kontext der Zeit zu betrachten. „Wir müssen zurück in die 1960er Jahre und uns vorstellen, wie sich das damalige London angefühlt hat“, erklärt er. „Rocker und Mods waren die vorherrschenden Subkulturen und ihre Fahrzeuge waren quasi Teil ihrer Outfits. Die Rocker entschieden sich für die lauten Maschinen von BSA, die Mods knatterten mit den deutlich einfacheren Vespas und Lambrettas durch die Stadt. Mary Quant erfand den Minirock. Die Beatles und die Rolling Stones waren die angesagtesten Bands. Und eines der unverwechselbarsten Automobile, das jemals gebaut wurde, parkte fast überall in Großbritannien: der Mini. Er war so winzig und wirklich etwas ganz Besonderes.“


Am Piccadilly Circus in den 1960er Jahren zeigt sich die überschwängliche Unterhaltungsszene im damaligen London


Aber während bestimmte Fahrzeuge bestimmten Personengruppen zugeschrieben wurden, hatten viele Reiche und Prominente Bedarf nach etwas Neuem. „Londons Karosseriebauer erlebten in den 1950er Jahren ihre Blütezeit, als die ‚vornehmen und gut betuchten Leute‘ etwas Unverwechselbares haben wollten, als es an der Zeit war, sich eine neue Luxuskarosse zuzulegen, und eben keinen ‚normalen‘ Rolls-Royce oder Bentley“, erklärt Luca. „Harold Radford war einer dieser berühmten Londoner Karosseriebauer. Wie es der Zufall wollte, traf er Filmlegende Peter Sellers, der sich mitten in der Vorproduktion für die „Pink Panther“-Filmserie befand und mehrere Automobile besaß, darunter auch einen Mini. Sellers gab bei Radford einen als Linkslenker individualisierten Austin Mini Cooper S in Auftrag. Das war die Geburtsstunde des ‚Mini de Ville‘.“


Aufgemotzte, luxuriöse fahrbare Untersätze


Der Wagen schlug bei der Londoner Elite ein wie eine Bombe. Jeder wollte ihn. „Sellers hat sogar darum gebeten, ein zweites identisches Auto für seine damalige Frau Britt Ekland zu bauen“, erzählt Luca begeistert. Aber was war eigentlich so besonders daran? Äußerlich waren die Veränderungen marginal, aber die Innenausstattung war etwas völlig Neues. Die de Villes waren keine gewöhnlichen Minis, man kann sie am besten als „Extravaganz auf Rädern“ beschreiben. Die Käufer konnten sich auf Armaturenbretter aus Nussbaumholz, Ledersitze und langflorige Teppichböden freuen, wenn sie sich für einen de Ville entschieden. 


Beide Mini-Umbauten wurden mit einer Reihe eleganter Ausstattungsmerkmale geliefert, u. a. mit Armaturenbrettern aus Nussbaumholz und Ledersitzen


Von 1963 bis Ende der 1960er Jahre besaß im Grunde jeder britische Promi einen Mini de Ville. „Der individualisierte Mini war vor allem bei den VIPs sehr beliebt“, so Luca. „Auf der Liste stehen Filmstars wie Peter Sellers und Steve McQueen, berühmte Musiker wie John Lennon, Paul McCartney und George Harrison (der sich einen in den psychedelischen Farben der „Magical Mystery Tour“ lackieren ließ) sowie Modeikonen wie Twiggy und Mary Quant. Diese Minis waren unglaublich teuer und gehörten nicht zu denen, die üblicherweise in der Stadt herumsausten. Die Devise lautete: ‚Luxus, Luxus und … Luxus‘ “.


Mini de Ville vs W&P Mini


Der Mini de Ville war in den 1960er Jahren tonangebend, aber im Laufe der Zeit wurden Radfords Minis selbst den Reichsten zu teuer. Eine Gelegenheit, die sich andere Karosseriebauer, wie z. B. Wood & Pickett, nicht entgehen ließen, und schnell mit einem ganz eigenen Umbau parat standen. „Der Radford Mini de Ville war der erste seiner Art und steht in Sachen Luxus heutigen Modellen in nichts nach, aber auch der Wood & Pickett-Mini war erstklassig“, erklärt Luca. „Es entstand ein Wettbewerb zwischen beiden Unternehmen: durch den Umstand, dass Radfords ehemaliger Geschäftsführer Eddie Collins zu Wood & Pickett gewechselt war, wurde er nur noch weiter angefacht.“ Bei W&P wusste man, wie man die eigenen Autos an den Mann und an die Frau bringen konnte, das Geschäft wurde sogar strategisch sinnvoll in die Abbey Road verlegt, ganz in der Nähe der bekannten Musikstudios. Alles lief gut und selbst Ringo Starr schaute damals vorbei, um sich einen W&P-Mini zu bestellen, der so umgebaut wurde, dass er sein Schlagzeug mitnehmen konnte. 



Die Doppelscheinwerfer waren eine weiteres markantes Merkmal einiger W&P-Minis


Für die damaligen Autofahrer waren die individualisierten Minis ein Traum. „Grundsätzlich war jeder W&P-Mini (wie auch jeder von Radford) ein maßgefertigtes, individualisiertes Fahrzeug“, so Luca. „Die Kunden verlangten zu dieser Zeit absolut einzigartige Automobile und die Liste der Ausstattungsvarianten und der möglichen Zubehörteile war im Grunde unendlich.“ Getönte Scheiben und elektrische Fensterheber, Schiebedächer, spezielle Lederausstattungen – für schüchterne Promis gab es sogar eine Variante mit so genannten „Opera windows“, also kleinen Opernfenstern in den C-Säulen. Bis heute baut W&P weiterhin individualisierte Minis aus Spenderfahrzeugen. Nach einigen Rückschlägen wurde das Unternehmen von ehemaligen W&P-Mitarbeitern wieder in Gang gebracht. Natürlich sind die goldenen Zeiten der 1960er vorbei und der damalige Mini kehrt nicht wieder zurück, aber diese kleinen Flitzer haben eindeutig bewiesen, dass es nie zu spät ist, einen Klassiker neu zu erfinden. 

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