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Alles, was Sie über die Daguerreotypie wissen sollten

Von Simone | 15. August 2019

Man sollte meinen, dass man mit einem Fotografieverfahren aus dem 19. Jahrhundert nicht die hochwertigsten Ergebnisse erzielen würde. Schaut man sich aber einmal eine Daguerreotypie an, wird man überrascht sein, wie unglaublich scharfe und detaillierte Bilder schon damals möglich waren. Wir wollten wissen, wie genau das Verfahren aussieht und was die so aufgenommenen Fotos so faszinierend macht. Daniel Heikens, unser Experte für Fotografie, erklärt uns mehr.

Hi Daniel. Kannst du uns erklären, was eine Daguerreotypie genau ist?

Daniel: Die Vorstellung der Daguerreotypie gilt als Geburtsstunde der Fotografie. Das Ganze ist eine Erfindung von Louis-Jacques-Mandé Daguerre, die jedoch ohne Joseph Nicéphore Niépce, der den ersten photomechanischen Prozess erfand, nie möglich gewesen wäre. 

Obwohl mit der frühen Technik der Camera Obscura, im Wesentlichen ein Naturphänomen, bereits seit Jahrhunderten ein System zur Erzeugung von Projektionen existiert, wurde der erste eigentliche photomechanische Druck, die Heliogravüre, erst viel später erfunden. Das war irgendwann um 1826 oder 1827, zum genauen Zeitpunkt gibt es unterschiedliche Meinungen. 

Das Ergebnis daraus ist das Bild Blick aus dem Arbeitszimmer vom Amateur-Erfinder Joseph Nicéphore Niépce. Mit dieser heliographischen Technik nahm er schließlich erfolgreich ein Bild auf, wenn man das so nennen möchte. Da die Belichtungszeit mehrere Tage betrug, war es natürlich unmöglich ein scharfes Bild zu erzeugen. 

Zur gleichen Zeit war Louis-Jacques-Mandé Daguerre, ein professioneller Theatermaler, auf der Suche nach einer Möglichkeit eine möglichst reale Kulisse herzustellen. So kam er in Kontakt mit Niépce. Niépce konzentrierte sich jedoch mehr auf die Herstellung reproduzierbarer Platten.

Aufbauend auf Niépces Erfahrungen entwickelte Daguerre schließlich eine Lösung für sein Problem und kündigte 1839 öffentlich das erste kommerziell nutzbare fotografische Verfahren an. Mit dieser Technik war es möglich, Fotos zu erstellen, die nur wenige Minuten Belichtung in der Kamera brauchten und trotzdem klare und detaillierte Ergebnisse lieferten. 

Dieses berühmte Porträt des Dichters und Schriftstellers Edgar Allen Poe ist eine Daguerreotypie. Sie wurde jedoch nachbearbeitet.

Und wie funktioniert das Ganze?

Daniel: Es ist ein ziemlich komplexer Prozess. Zuerst musste ein versilbertes Kupferblech so stark poliert werden, dass man sich drin spiegeln konnte. Dieses Blech wurde dann mit Dämpfen behandelt, mit denen die Oberfläche lichtempfindlich gemacht wurde. Dieses Medium wurde wiederrum in einer Kamera belichtet und das Foto aufgenommen. Das aufgenommene Bild konnte mit Quecksilberdampf sichtbar gemacht werden und wurde danach mit einer Behandlung mit Chemikalien lichtunempfindlich gemacht bzw. fixiert.

Die Oberfläche des spiegelnden Fotos war (und bleibt) sehr empfindlich, und schon die kleinste Reinging konnte es dauerhaft beschädigen. Also wurde das Foto nach dem Spülen und Trocknen in einem Schutzgehäuse hinter Glas versiegelt. 

Was macht diese Form der Fotografie so spannend?

Daniel: Es ist auch heute noch eines der schönsten Verfahren, das je entwickelt wurde. Obwohl die Bilder oft klein sind, sind sie unglaublich scharf und haben schöne Farbtöne und Kontraste. Die Herstellung einer Daguerreotypie war und ist eine erstaunlich sorgfältige und zeitaufwändige Arbeit. Und eine Daguerreotypie ist immer einzigartig, denn was man sieht, kommt direkt aus der Kamera; es gibt immer nur ein Bild.  

Wie erkennt man eine Daguerreotypie?

Daniel: Das auffälligste Merkmal einer Daguerreotypie ist der spiegelnde Effekt. Wenn man das Foto in bestimmten Winkeln neigt, kann man erkennen, wie es sich spiegelt, und man erkennt sogar das „negative Bild".

Eine [Daguerreotypie] hat immer eine Schutzhülle, die oft aus Leder und mit Seide oder Samt gefüttert ist. Manchmal werden sie auch in sogenannten „Union Cases", einem kunststoffähnlichem Gehäuse aus Sägemehl und Schellack, vor Umwelteinflüssen geschützt. An der Luft aufbewahrt wird die Silberplatte anlaufen, was man bei vielen Bildern an den Rändern erkennen kann. Und schließlich sind sie meist relativ klein. 

In einer Daguerreotypie erkennt man sowohl das positive als auch das negative Bild.

Gibt es Fotografen, die durch die Daguerreotypie berühmt geworden sind? 

Daniel: In erster Linie Daguerre selbst, das gesamte Verfahren trägt schließlich seinen Namen. Bilder von ihm sind aber extrem selten und es konnten kaum welche entdeckt werden.

Nachdem die neue Technik am 19. August 1839 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, setzten sich viele andere Künstler damit auseinander. Darunter bekannte Daguerreotypisten wie Robert Cornelius, Louis Adolphe de Molard, John William Draper, Antoine Claudet, John B Dancer, Richard Beard, William Kilburn, Platt D Babbitt und viele mehr. Sie haben einige der schönsten Exemplare des 19. Jahrhunderts erschaffen. 

Gibt es noch heute Fotografen, die diese Technik anwenden?

Daniel: Auf jeden Fall! Obwohl es sehr schwierig ist, gute Ergebnisse zu erzielen. Mit der schnellen, digitalen Fotografie der heutigen Zeit gibt es immer mehr Fotografen, die sich nach einer „langsameren Art der Fotografie" sehnen. Wir haben sogar einen Fotografen, der seine Daguerreotypie auf Catawiki verkauft. 

Hast du ein paar Tipps für Leute, die anfangen möchten Daguerreotypien zu sammeln?

Daniel: Man sollte immer darauf achten, dass man die Motive mag. Je mehr man sich mit dem Thema auseinandersetzt, desto kritischer wird man hinsichtlich des Zustands, der Themen, Größe, usw. 

Meistens findet man Familienportraits. Da die Aufnahme einer Daguerreotypie sehr lange dauerte - eine Belichtungszeit von zehn Minuten war in den frühen Tagen des Prozesses nicht ungewöhnlich - handelt es sich bei den meisten Bildern um Porträts. Sobald die Sammlung anwächst, wird man sich dann auf die Suche nach selteneren Themen oder sehr alten Bildern sein. 

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